Vladimir Nabokov

NABOKV-L post 0009498, Tue, 23 Mar 2004 11:20:46 -0800

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Fw: Ein sensationeller Fund in Sachen Nabokov ...
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From: Sandy P. Klein

Sent: Monday, March 22, 2004 9:16 PM
Subject: Ein sensationeller Fund in Sachen Nabokov ...




22. März 2004, 02:11, Neue Zürcher Zeitung

Das doppelte Lottchen
Ein sensationeller Fund in Sachen Nabokov
Vladimir Nabokov, das weiss jeder, der schon einmal ins Universum seiner Bücher eingetaucht ist, ist stets für eine Überraschung gut. Schier unerforschlich scheinen die Zeichen und Figuren, die er seinen Texten eingeschrieben hat, fast endlos die inneren Anspielungen und äusseren Bezüge, und wenn einmal ein Schmetterling oder Eichhörnchen durch die Szene huscht, kann man fast sicher sein, dass mehr dahinter steckt als ein Stück Natur. Nun scheint dem Werk des russischen Exilschriftstellers, der es 1955 mit dem auf Englisch erschienenen und sogleich skandalisierten Roman «Lolita» zu Weltruhm brachte, ein weiteres Geheimnis abgerungen worden zu sein - von Michael Maar, dem bewährten deutschen «Literaturdetektiv», der einem ersten Hinweis von Rainer Schelling nachging und das Ergebnis seiner Recherche letzten Freitag in der «FAZ» vorstellte. Seither steht das Nymphchen Lolita, Nabokovs populärste, wohl aber auch abgründigste Figur, nicht mehr allein auf weiter Flur, sondern ! besitzt eine um fast vier Dezennien ältere Verwandte gleichen Namens, erfunden von einem Schriftsteller, dessen Name bisher so gut wie niemandem ein Begriff war.

Eine spanisch-deutsche Lolita
«Lolita» heisst eine achtzehn Seiten umfassende Erzählung, die im Jahre 1916 in einem Erzählungsband mit dem Titel «Die verfluchte Gioconda» erschien. Ihr Verfasser war der 25-jährige Heinz von Lichberg (1891-1951), der es während der Weimarer Republik als Journalist und Schriftsteller zu einiger Bekanntheit brachte, bevor er 1937 eine Karriere in der Wehrmacht begann. Lichberg war einer der beiden Live-Radioreporter, die am 30. Januar 1933, als Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, den Fackelzug der Nazis durchs Brandenburger Tor euphorisch kommentierten. Sein Stück handelt von einem kultivierten Mann mittleren Alters, der sich auf einer Spanienreise am Meer in einer Pension einmietet und mit der blutjungen Tochter des Hauses, bei deren erstem Anblick es ihm die Sinne verschlägt, eine amour fou erlebt, in deren Verlauf es auch zur sexuellen Vereinigung kommt. Am Ende stirbt das Mädchen, und der Ich-Erzähler bleibt, vom Erlebten gezeichnet, zurück.

«Ein leichtes Gefühl der Unwirklichkeit und des Déjà-vu» habe sich bei ihm bei der Lektüre eingestellt, schreibt Michael Maar. Auch Nabokovs Humbert Humbert, ebenfalls ein Ich-Erzähler, kommt in einer seenahen Pension unter, doch statt in die sich ihm aufdrängende Hauswirtin verliebt er sich augenblicklich in deren halbwüchsige Tochter, die ihm als Wiedergeburt seiner ersten kindlichen Liebe am Meer, Annabel, erscheint. Gemeinsam ist beiden Texten der jähe Moment der Verzauberung, und in beiden Fällen übernimmt Lolita die Initiative der Verführung - wobei deren Folgen, der Zeit entsprechend, von Lichberg weit verblümter beschrieben werden als von Nabokov, der mit seinen freizügigen erotischen Schilderungen nur knapp der Zensur entging. «Die Übereinstimmung von Handlungskern, Erzählperspektive und Namenswahl» sei frappierend, schreibt Maar, indes gebe es «kein logisches Gesetz, das uns verraten würde, ab wann eine bestimmte Anzahl von Koinzidenzen aufhört, Zufall zu sein».!

SchlĂĽssige Indizien
Kann Vladimir Nabokov wirklich - bewusst oder unbewusst - von Lichbergs Erzählung zu seinem Meisterwerk angeregt worden sein? Die äusseren Umstände schliessen dies nicht aus: Nabokov war 1922 nach Berlin gekommen und blieb dort bis 1937, seine Deutschkenntnisse - 1947 sprach er von «a fair knowledge» - reichten aus, sich mit einer Deutschen vorübergehend zu verloben. Nachgewiesen ist die Kenntnis nicht nur Hofmannsthals, Kafkas, Heines und Goethes, sondern auch von Zeitgenössischem wie Leonard Franks Roman «Bruder und Schwester» aus dem Jahr 1929. Lichbergs Stück könnte Nabokov also durchaus in die Hände geraten sein.

Maar weist darüber hinaus nach, dass der Stoff Nabokov interessieren musste, hatte dieser doch schon 1934 den ersten Entwurf zu «Lolita» einer Nebenfigur des Romans «Die Gabe» in den Mund gelegt. Fünf Jahre später entfaltete der Kurzroman «Der Zauberer» das Thema weiter. Indes reicht die Kette der dämonisch-phantasmagorischen Kindfrauen weiter zurück, bis zur Erzählung «Ein Märchen» von 1926, deren Finale in der «Hoffmann-Strasse» spielt. Von E. T. A. Hoffmann wiederum ist zu Beginn von Lichbergs Erzählung die Rede. Einen weiteren Anhaltspunkt bietet der Name Walzer, der in Nabokovs Annabella-Drama «Die Walzer-Erfindung» von 1938 wie bei Lichberg für ein geheimnisvolles Brüderpaar steht. Ein weiteres starkes Indiz liefert Maar die Tatsache, dass Lichbergs Lolita einem Fluch und dämonischen Wiederholungszwang unterliegt - düster-teuflische Zusammenhänge, die auch bei Nabokov findet, wer nur ein bisschen am Lack der Erotik und des American way of life kratzt. Loli! ta sei, so hat es der russische Autor einmal selbst formuliert, ein «unsterblicher Dämon, verkleidet als Kind». Da erstaunt es schon fast nicht mehr, dass die Wirkung des Liebeszaubers (25 Jahre) und das Finale einer traumartigen Mordszene in beiden Werken korrespondieren.

Lolita - ein doppeltes Lottchen? Bewiesen ist vorerst nichts, doch ist es die Komplexität von Maars Argumentation, die einen Zusammenhang plausibel macht. Die Menge der Fäden, die da zusammenlaufen, passt trefflich ins Bild von Nabokovs schriftstellerischem Eklektizismus, und es frappiert eigentlich nur die offene Namensgleichheit, die man dem russischen (Selbst-)Verbergungskünstler, der sein Genie nie unter den Scheffel stellte, kaum zugetraut hätte. Freilich muss auch gesagt sein: Falls Lichbergs kleine Lolita wirklich eine massgebliche Inspirationsquelle gewesen ist, wirft das auf Nabokovs grosse Lolita keinen Schatten. Figurenaneignungen oder Motivverwandlungen sind ein gängiges und legitimes künstlerisches Verfahren. Auf dass Neues entstehe, hat Literatur immer schon sich selbst verdaut. «Lolita» war bisher ein Solitär; dass sie eine kleine Schwester erhalten hat, tut ihrer Bedeutung keinen Abbruch und ist nicht der schlechteste Grund, das Buch wieder (oder endlich!)! zu lesen. Es ist, Heinz von Lichberg sei's hiermit gedankt, von einer Magie, der man leicht für immer verfallen kann.

Andreas Breitenstein






Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter: http://www.nzz.ch/2004/03/22/fe/page-article9HIUU.html




Neue ZĂĽrcher Zeitung AG



MACHINE TRANSLATION:


http://www.nzz.ch/2004/03/22/fe/page-article9HIUU.html

22. March 2004, 02:11, new one inhabitant of zurich newspaper


The double Lottchen
A sensational find in things Nabokov

Vladimir Nabokov, which is white everyone, which dived already once into the universe of its books, always for a surprise well. The indications and figures, which it wrote its texts, seem almost impenetrable nearly endlessly the internal allusions and outside purchases, and if a butterfly or a squirrel huscht by the scene, one can be nearly safe that more behind it puts than a piece nature. Now the work of the Russian exile writer, who brought it to 1955 with the novel "Lolita" skandalisierten appeared on English immediately and to world fame, a further secret seems to have been wrung out - by Michael Maar, which worked satisfactorily German "literature detective", who followed to a first reference of Rainer Schelling and which result of its search presented to last Friday in the "FAZ". Since that time the Nymphchen Lolita, Nabokovs most popular, probably in addition, abgruendigste figure, stands no longer alone on far corridor, but possesses around nearly four D! ezennien older relatives of same name, invented from a writer, whose name was so far as good as nobody a term.

A Spanish-German Lolita
"Lolita" is called eighteen sides a comprehensive narration, which appeared in the year 1916 in a narration volume with the title "the verfluchte Gioconda". Their author was the 25-year old Heinz von Lichberg (1891-1951), who brought it during the Weimar Republic as journalist and a writer to some admittingness, before he began 1937 a career in the armed forces. Lichberg was one of the two Live Radioreporter, to 30. January 1933, when Hitler was appointed the realm chancellor, the torch/flare course of the Nazis by the Brandenburger gate euphorically commentated. Its piece acts of cultivated man middle age, which comes itself on a Spain journey at the sea in a pension in-rented and with the blood-young daughter of the house, at whose first sight it strikes it the senses, one amour fou deeply felt, into their process it also to the sexual combination. At the end the girl dies, and which remains I storyteller, drawn by the experienced one, back.

"an easy feeling of the unreality and DĂ©jĂ  vu" adjusted itself with it with the reading, writes Michael Maar. Also Nabokovs Humbert Humbert, likewise a I storyteller, finds accomodation in a seanear pension, but instead of into him forcing upon the landlady he falls in love presently/immediately with their halbwuechsige daughter, who appears to it as wiedergeburt of its first childlike love at the sea, Annabel. Both texts the sudden moment of the Verzauberung is common, and in both cases Lolita takes over the initiative of the seduction - whereby their consequences, which time accordingly, by Lichberg far is more verbluemter described than of Nabokov, which escaped the censorship with its generous erotischen descriptions only scarcely. "the agreement of action core, is not striking telling perspective and name choice", writes Maar, meanwhile gives it "a logical law, which was told us, starting from when a certain number of Koinzidenzen stops, coincidence to be".

Conclusive indications
Can Vladimir Nabokov be really - consciously or unconsciously - by Lichbergs narration to its masterpiece lively? The outside circumstances do not exclude this: Nabokov had come 1922 to Berlin and remained until 1937, its German knowledge - 1947 it spoke fair knowledge "of" A - was sufficient there to get engaged with a German temporarily. The knowledge not only Hofmannsthals, Kafkas, Heines and Goethe is proven, but also by contemporary one like Leonard Franks novel "brother and sister" from the year 1929. Lichbergs piece could be thus quite guessed Nabokov into the hands.

Maar prove beyond that that the material had to interest Nabokov, to this 1934 the first draft to "Lolita" of a Nebenfigur of the novel "the gift" into the mouth had nevertheless already put. Later the short novel "the Zauberer" continued to unfold five years the topic. Meanwhile the chain of the daemonisch phantasmagorischen child women continues to go back, to the narration "a fairy tale" from 1926, whose final in the "hoping man route" plays. Of E. T. A. Hoffmann again is at the beginning of Lichbergs narration the speech. The name Walzer, which stands in Nabokovs Annabella drama "the rolling he invention" from 1938 as with Lichberg for a mysterious pair of brothers, offers a further reference point. A further strong indication supplies the fact to Maar with the fact that Lichbergs Lolita is subject to a curse and a daemonischen repetition obligation - dark teuflische connections, which finds also with Nabokov, who only a little at the lacquer of the! Erotik and the American way OF life scratches. Lolita is, then it formulated the Russian author once, a "unsterblicher Daemon, disguises as a child". There it does not surprise already nearly any longer that the effect of the dear charm (25 years) and the final of a dream-like murder scene in both works correspond.

Lolita - a double Lottchen? Proven for the time being nothing is, but is it the complexity of Maars argumentation, which makes a connection plausible. The quantity of the threads, which gather there, fits trefflich into the picture of Nabokovs literary Eklektizismus, and it strikes actually only the open identity of names, which one the Russian (same t) hiding artist, who never placed its genius under the Scheffel, would hardly have thought capable of. Certainly must be also said: If Lichbergs were real small Lolita a relevant source of inspiration, the Lolita large on Nabokovs does not throw a shade. Figure acquiring or motive conversions are a usual and legitimate artistic procedure. On the fact that new it develops has literature always already digested. "Lolita" was so far a Solitaer; the fact that it received a small sister does not do an abort to her meaning and is not the worst reason, the book again (or finally!) to read. It is hereby thanked Heinz von Li! chberg, sei's, of a magic, to which one can easily always purge.

Andreas's width stone















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