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From: Sandy P. Klein
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Sent: Sunday, May 09, 2004 8:35 PM
Subject: Sein Stück, versicherte Nabokov ...

Frankfurt round rundschau
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Das Unpoetische der Massenvernichtungswaffe
Werner Schroeter legt in der Darmstädter deutschen Erstaufführung von Nabokovs Traum- und Albtraum-Groteske "Walzers Erfindung" den Zauber der Oberfläche frei
VON JUDITH VON STERNBURG

Das vierte und letzte seiner abendfüllenden Theaterstücke schrieb Vladimir Nabokov 1938 in Cap d'Antibes, ein Jahr, nachdem er Deutschland verlassen hatte. Im Sommer 1939, als der Schriftsteller und Schmetterlingsliebhaber "zwischen dem Sammeln von Tagfaltern und dem Anlocken von Nachtfaltern das Stück für die Bühne vorbereitete", kamen ihm noch etliche Einfälle für Veränderungen, die aber erst ein Vierteljahrhundert später in Druck gingen.

Den Autor quälte inzwischen, 1968, der Gedanke, die Regie könnte "abscheuliche Feuertreppen, Mülltonnen und Bühnengerüste mit Schauspielern in Arbeitsoveralls" auf die Bühne bringen und überhaupt: Das Vorwort zur revidierten Fassung liest sich auch als Fanal gegen den Zeitgeist, wie er sich dem fast 69-Jährigen darstellte. Sein Stück, versicherte Nabokov, enthalte "nicht die geringste politische ,Botschaft'", was angesichts einer seltsamen Massenvernichtungswaffe und eines Helden, der mit dieser Waffe den Weltfrieden befördern möchte, in der Tat mancher anders verstanden haben dürfte - 1939, 1968 und 2004, als sich die Rolle der USA als Friedensstifter mittels Übermacht immer unseliger gestaltet.

Weihnachtsbäume, militärisch

Die Uraufführung am Pariser "Russischen Theater" hatte seinerzeit der Kriegsbeginn verhindert. '68 erfolgte sie im "Russischen Club" der Universität Oxford. Ob Arbeitsoveralls im Spiel waren oder ob die Uniformen der Generäle Nabokovs Wunsch gemäß glitzerten "wie Weihnachtsbäume": Man weiß es nicht. Walzers Erfindung misslang jedenfalls, wie den anderen Dramen des Lolita-Autors, der Durchbruch. Darum konnte das Staatstheater Darmstadt die gut 65 Jahre alte Groteske, angeregt auch von Nabokovs Erfahrungen im nationalsozialistischen Deutschland, jetzt als deutsche Erstaufführung ankündigen. Der um Eigensinn keineswegs verlegene Werner Schroeter erfüllt hierbei aufs Wort Nabokovs Hoffnung, dass ein Regisseur "Poesie und Pathos als unterste Schicht dieses grellen Wahnsinnstraums" nicht übersehen möge: Schroeter präsentiert einen poetischen, pathetischen, grellen Abend, der für sich dasteht und darum zwar keinen Walzers Erfindung-Boom nahe legt, aber doch die Dramaturgen beschämt, die am Theaterautor Nabokov vorbeiblättern.

Das Publikum erfährt sofort, dass hier einiges nicht in Ordnung ist. Hinter Stellwänden im unsymmetrischen Relief-Design von vor 40 Jahren tut sich ein mäßig bewegter Himmelsausschnitt auf (Bühne: Schroeter mit Alexander Schulz). Einen solchen Ort gibt es in echt nicht, das ist klar. Nachdem zwei befrackte, barfüßige Beaus zu Caterina Valentes Schlager Wo meine Sonne scheint einige Ausschnitte der dreh- und rollbaren Wänden herausboxten (wie sonderbar), tanzen zwei ältere Herrschaften Walzer. Sie sind die Vorhut einer wahnsinnigen, teils augenfällig beschädigten sowie regredierten Militärregierung - Operetten-Generäle, rotwangig oder kreideweiß, ausstaffiert mit Lametta-Epauletten (Kostüme: Susanne Thaler) und ulkigen Namen, ein Hermaphrodit aus dem Morgenland und Mannweiber darunter. Wie es ihnen gelingt, die Geschicke jenes noch so imaginären Staates zu lenken, ist unbegreiflich.

Die Melancholie der Vollidioten

Über dem Kabinett der Clowns, angeführt von Elisabeth Krejcir, dem müden, klugen Kriegsminister, Uwe Zerwer, dem versnobten Oberst Plump, und Tim Bierbaum, dem/der mysteriösen Trance, liegt jedoch Melancholie. Das sind Vollidioten, aber sie hören auch Musik von Richard Strauss, und es ist andererseits liebenswert, wenn Haudegen sich lieber mit Prahlhanselei und Poesie als mit Politik befassen (das Brandgefährliche daran interessiert Nabokov wenig). Unheimlicher erscheint der Schmale in Schwarz, Christian Wirmer, der sich Salvator Walzer nennt und die Welt retten will.

Walzer ist ein Träumer - im buchstäblichen Sinne und in einer Traumlogik, die dem Autor und dem Regisseur ungefähr alles ermöglicht. Wirmer zeigt dabei seinen Unwillen zu erwachen, die Aggressivität des Aufsteigers aus einfachen Verhältnissen und den unsympathischen Zorn des Heilsbringers, der dank einer Wunderwaffe Zerstörungen allerorten anrichten kann. Das Unpoetische einer solchen Waffe wird offenbar, die gleich zu Beginn einen Berggipfel sprengt, auf der einst ein Zauberer wohnte (grauseligerweise befindet sich der Berg den Explosionserscheinungen nach genau im Zuschauerraum). Walzer erfährt das durch das Mädchen Annabella (Clarissa Hermann), die bei Schroeter eine Lachgas-süchtige Lulu vorstellt. Tatsächlich hat es wenig mit Politik oder gar Moral zu tun, eine Waffe unpoetisch zu finden, andererseits erzählt es eine Menge über das 20. Jahrhundert und seine Akteure, ihre Brutalität, Anmaßung und Hilflosigkeit.

Erst im letzten Moment folgt Schroeter dem Autor nicht mehr. Sein Walzer, bei Nabokov hastig und läppisch über das Thema Sinnlichkeit gestolpert, wacht nicht auf in einer ernüchterten Welt, sondern versinkt in Albtraumtableaus. Die Oberflächlichkeit des Unterfangens ist frappierend. Schürfte man tiefer, würde es indes womöglich dürftig. Die Oberfläche aber strahlt einen starken Theaterzauber aus.

Staatstheater Darmstadt: 12., 14., 21.5, 19.30 Uhr, Karten-Tel. 06151/392828.

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Unpoeti of the massenvernichtungswaffe
Werner Schroeter opens the charm of the surface in the Darmstaedter German first performance of Nabokovs dream and Albtraum grotesque one "Walzers invention"
OF JUDITH OF STAR CASTLE

Vladimir Nabokov wrote fourth and last one of its evening-filling plays 1938 in Cap of d'Antibes, one year, after he had left Germany. In the summer 1939, when the writer and butterfly lover prepared "between collecting butterflies and attracting moths the piece for the stage", came him still some ideas for changes, which however only a quarter century later went into pressure.

The author in the meantime, 1968, the thought, the direction tormented could "horrible fire stairs, garbage cans and stage stands with actors in work pair of overalls" on the stage bring and at all: The preface for revised version reads itself also as Fanal against the spirit of the time, how it presented itself to that nearly 69-Jaehrigen. Its piece, insured Nabokov, contains the "not the smallest political, message '", which in view of a strange massenvernichtungswaffe and a hero, which might have understood would like to carry the world peace with this weapon, indeed some differently - 1939, 1968 and 2004, when the role of the USA becomes ever more unseliger as peacemakers by means of supremacy.

Christmas trees, militarily

The premiere at the Parisian "Russian theatre" had prevented at that time the beginning of war. ' 68 it took place in the "Russian club" of the University of Oxford. Whether work pair of overalls in the play were or whether the uniforms of the generals Nabokovs desire in accordance with glittered "like Christmas trees": One does not know it. Walzers invention failed anyhow, like the other dramas of the Lolitaof author, the break-through. Therefore the national theatre Darmstadt could announce those well 65 years old grotesque ones, lively also from Nabokovs experiences in National Socialist Germany, now as German first performance. By any means Werner Schroeter verlegene around stubborness does not fulfill here on the word Nabokovs hope that a director may not ignore "poetry and Pathos as lowest layer of this sharp insanity dream": Schroeter presents a poetic, pathetischen, sharp evening, which stands there for itself and puts therefore no Walzersinvention boom close, but nevertheless the Dramaturgen shames, which by-leaf at the theatre author Nabokov.

The public experiences immediately that some is not correct here. Behind placing walls in the asymmetrical relief Design of before 40 years a moderately moved sky cutout does on (stage: Schroeter with Alexander Schulz). There is not such a place to genuinly, that is clear. After two befrackte, barfuessige Beaus to Caterina Valentes hit where my sun seems some cutouts trick and to rollable walls out-boxed (as strange), dance two older rule Walzer. They are the Vorhut of a mad, partly obviously damaged as well as regredierten military government - Operetten generals, rosy-cheeked or chalk-white, garnishes with Lametta Epauletten (costumes: Susanne Thaler) and ulkigen names, a Hermaphrodit from the morning country and man women under it. As them succeeds, the fate of that still so imaginary state to steer, is incomprehensible.

The melancholy of the complete idiots

Over the cabinet of the clowns, aforementioned of Elizabeth Krejcir, the tired, intelligent war Minister, Uwe Zerwer, versnobten Colonel Plump, and Tim beer tree, that/that mysterioesen Trance, are appropriate however for melancholy. Those are complete idiots, but they hear also music of Richard bunch, and it is on the other hand love worth, if striking swords are rather concerned with Prahlhanselei and poetry than with politics (the fire-dangerous to it interests Nabokov little). The narrow one in black, Christian Wirmer, which calls itself Salvator Walzer, appears more uncanny and which world wants to save.

Walzer is a dreamer - in the literal sense and in a dream logic, which makes approximately everything for the author and the director possible. Wirmer shows thereby its Unwillen to awake, the aggressiveness of the Aufsteigers from simple conditions and the unsympathischen anger of the Heilsbringers, which can arrange destruction owing to a miracle weapon everywhere. Unpoeti of such a weapon becomes obviously, which blows up a mountain summit equal to beginning, on which once a Zauberer lived (is the mountain grey-blessed-proves after the explosion features exactly in the auditorium). Walzer experiences by the girl the Annabella (Clarissa Hermann), which presents an laughing gas-addicted Lulu with Schroeter. Actually it has to do few with politics or moral to find a weapon unpoetisch on the other hand one it tells a quantity over 20. Century and its participants, their brutality, arrogance and helplessness.

Only in the last moment Schroeter does not follow the author any longer. Its Walzer, with Nabokov hastily and laeppisch over the topic sinnlichkeit gestolpert, is awake not in in a sobered up world, but sinks in Albtraumtableaus. The superficialness of the venture is striking. If one dug more deeply, it became meanwhile possibly poor. The surface however radiates a strong theatre charm.

National theatre Darmstadt: 12., 14th, 21,5, 19,30 o'clock, map Tel. 06151/392828.