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Neue Z�rcher Zeitung AG


  
 
 
1. Juni 2002, 02:09, Neue Z�rcher Zeitung

Nabokov trifft Rowling

Michael Maar hat �Harry Potter� gelesen

Sollten wir uns je die etwas m�ssige Frage gestellt haben, ob Nabokov �Harry Potter� gemocht h�tte: Michael Maar nennt uns in seinem j�ngsten Essayband ein paar gute Gr�nde, die doch sehr daf�r zu sprechen scheinen. Er z�hlt Gemeinsamkeiten auf: Die �Kunst der Komposition� etwa sei Joanne K. Rowling und Nabokov gleichermassen eigen, ebenso das Parodistische und Unpr�de oder das Magische und Wunderbare, wobei gerade Letzteres bei beiden die Beobachtung der Wirklichkeit gesch�rft haben soll. Einen weiteren Grund nennt Maar, zwar sei es �ein schlechter�, meint er einschr�nkend, �aber selbst ein Nabokov w�re nicht gegen ihn gefeit�: Es gebe nur zwei B�cher, so zitiert er Joanne K. Rowling, �deren letzte Seite mich zum Weinen bringt, ohne dass ich die vorhergehenden Seiten zu lesen brauche�. Eines davon sei �Lolita�. Nun gut, wollen wir annehmen, es sei so, und Nabokov h�tte sich von solcher Vorliebe einnehmen lassen.

Um Nabokov freilich geht es hier nur am Rande. Er ist gleichsam nur Vorwand f�r den allerdings verf�hrerischen Titel. Michael Maar hat anderes im Sinn. Er will uns mit den kompositorischen Finessen von Joanne K. Rowling bekannt machen; er singt uns das Loblied auf eine Autorin, die ihre Romane wie ein feines R�derwerk konstruiert; er zeigt uns mit dem Eifer des t�ftelnden Forschers, dass wir beim Lesen und zumal bei �Harry Potter� immer mehr wissen k�nnten, wenn wir nur wollten und wachsam genug w�ren. Und zu diesem Zweck erz�hlt er uns die Romane - und rennt bei uns weit ge�ffnete Scheunentore ein. Jedes Kind weiss mittlerweile, dass Joanne K. Rowling kein Motiv einf�hrt, das nicht in ihrem Plan verzeichnet ist und an einer vorbestimmten Stelle wieder zum �berraschenden Einsatz gelangt. Wir wissen es - und lassen uns doch immer wieder �berraschen. Und sind nicht ungl�cklich dar�ber, dass uns manches kompositorische Geheimnis dieser B�cher verborgen bleibt, uns vielleicht auch nur ahnungsweise d�mmert, denn nur so bleibt uns der Zauber erhalten.

Es ist ein �berfl�ssiges Buch, gewiss, aber brillant geschrieben, und es bereitet auch intellektuell kein geringes Vergn�gen, wenn Michael Maar die Handlung paraphrasiert, wenn man ihm zuschauen kann bei der minuzi�sen Analyse des Textes, wenn er die hintergr�ndigen Motivverbindungen freilegt und wenn dann also der Konstruktionsplan der Romane sichtbar wird. Man wird es also nicht bedauern m�ssen, dieses Buch gelesen zu haben. Und sei es bloss darum, weil uns Michael Maar auf den selbst vor Obsz�nit�ten nicht zur�ckschreckenden Humor von Joanne K. Rowling hinweist. Manches davon bleibt n�mlich dem Leser der deutschen �bersetzung - wie wohl auch vielen fl�chtigen Lesern des Originals - verborgen. �Can I have a look at Uranus too?�, fragt Ron im vierten Band seine Mitsch�lerin Lavender Brown im Wahrsage-Unterricht - worauf die ganze Klasse - �berraschend vielleicht auch f�r die Sch�ler, vor allem aber f�r die deutschen Leser - mit zus�tzlichen Hausaufgaben bestraft wird. Doch Ron wird wohl, als er die Frage stellte, an einer heiklen Stelle gestockt und zwischen der ersten und zweiten Silbe von �Uranus� eine kleine Pause gemacht haben, vielleicht bewusst, wozu er imstande w�re, vielleicht aus Ignoranz, was zu ihm passen w�rde, vielleicht auch nur aus einer unschuldig ahnungsvollen Eingebung heraus, was man ihm zutrauen w�rde.

Roman Bucheli

Michael Maar: Warum Nabokov Harry Potter gemocht h�tte. Berlin-Verlag, Berlin 2002. 187 S., Fr. 24.40.



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